Aktuelles, Experten - geschrieben von am Freitag, September 18, 2009 18:33 - noch keine Kommentare

Warum es häufig in der Kommunikation zwischen Vorgänger und Nachfolger klemmt

Erfolgreiche Übergabeprozesse erfordern neue Sichtweisen

[datensicherheit.de, 18.09.2009] Eigentlich ist zum Thema „Nachfolgeregelung im Mittelstand“ schon so viel Richtiges und Wichtiges – wenn nicht alles – gesagt und geschrieben worden. Warum nur ist und bleibt es ein leidiges Dauerthema und volkswirtschaftliches Problem?
Ein Kaiser Lothar I. (795-855) zugeschriebener Spruch, „Tempora mutantur, nos et mutamur in illis“ („Die Zeiten ändern sich und wir ändern uns in ihnen“ auf Latein) bringt das Kernproblem auf den Punkt – die Zeiten und „wir“, also das jeweilige Unternehmen und die beteiligten Personen, ändern sich ständig; erst recht im 21. Jahrhundert!
Oft aber scheint es, als würde man sich dem Problem der Nachfolgeregelung mit der Wahrnehmung vergangener Dekaden nähern. So, als ob man zu einem Zeitpunkt „X“ alles anhalten könnte und der übergabereife Betrieb – so, wie ihn der Vorgänger in langen Jahren geprägt hat – unverändert in die treuen Hände des Nachfolgers gelangt und so dann auch unverändert fortgeführt wird. Ein naiver Trugschluss!
Eine Entscheidung zur Übergabe an einen Nachfolger ist eben immer eine „Ent-Scheidung“ – und Scheiden tut weh! Am Tag der endgültigen Übergabe ist das Unternehmen nicht mehr dasselbe wie am Vortag – und morgen wird es schon wieder anders sein, selbst wenn die übrige Belegschaft, die Produktionsprozesse und Zusammensetzungen von Materialien gleich bleiben.
Ein erfolgreiches Unternehmen ist ein Betrieb, also eine Struktur, in der Betriebsamkeit herrscht, kommuniziert und informiert wird. Die zu übergebene „Firma“ ist halt mehr als nur der im Handelsregister offiziell eingetragene Name eines Unternehmens; sie ist auch ein soziokulturelles System, ein IKT-Netzwerk. Wer also eine Nachfolge nur als juristisches oder finanzierungstechnisches Problem begreift, lässt die Menschen außen vor. Die Menschen gehören aber in den Mittelpunkt der Betrachtungen – nicht nur Vorgänger und Nachfolger, sondern auch Belegschaft, Kunden, Lieferanten, Anwohner usw.
Wer eine Nachfolge erfolgreich angehen will, der sollte einen Perspektivwechsel wagen und über eine extern moderierte Analyse den mentalen Sprung heraus aus der Trivialität, hinein in die Komplexität machen. Wer den Hauch einer Ahnung erlangen möchte, was „Komplexität“ im Kontext von Übergabeprozessen bedeutet, sollte sich von der Fokussierung auf die reine KMU-Nachfolgeregelung lösen und sich einen geweiteten Blick auf die Aspekte einer Weitergabe in Institutionen und zwischen Personen gönnen.

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Foto: GTIV e.V.

Dr. Breuers ganzheitlicher Blick auf Aspekte einer Weitergabe in Institutionen und zwischen Personen

Zu einer ganzheitlichen Betrachtung der Übergabeprozesse hat Dr. Franz Breuer as Buch Vorgänger und Nachfolger – Weitergabe in institutionellen und persönlichen Bezügen verfasst, das 2009 in erster Auflage beim Verlag „Vandenhoeck & Ruprecht“ erschienen ist.
Dr. Franz Breuer ist Professor am Psychologischen Institut III – Pädagogische Psychologie, Entwicklungspsychologie, Organisationspsychologie – der Universität Münster. Er wirft einen Blick auf strukturell ähnliche Züge und Muster von Übergaben auch in anderen Kontexten und Situationen, in denen es um Wechsel und Übergänge zwischen Personen und Objekten mit Identitätspotenzial, also um die Weitergabe „persönlicher Objekte“ geht. Beim Transfer eines Elements aus einer solchen Person-Objekt-Koppelung werden für die beteiligten Parteien grundsätzliche existenzielle Fragen aufgeworfen und sollten wechselseitig kommuniziert werden: Einerseits etwa „Was bleibt von mir?“ und andererseits „Wie sehr bin ich von Vergangenem bestimmt – kann ich mich eigenständig verwirklichen?“ Dr. Breuer hat mit seinem Buch erstmals eine umfassende und empirisch fundierte Theorie zu diesem Thema entwickelt. Die Vielfalt der besprochenen Bereiche und Beispiele zeigt, dass wir alle irgendwie und irgendwann in Transferprozesse verwickelt werden.

Weitere Informationen zum Thema:

MittelstandsWiki, 09.08.2009
Unternehmensnachfolge im Mittelstand / Ohne geregelte Übergabe droht die Pleite

DHI, 13.05.2009
Studie über Generationswechsel im Thüringer Handwerk des ifh Göttingen

Sparkassen-Finanzgruppe Hessen-Thüringen, 09.11.2006
Mittelstand in Deutschland – Statutsbericht der Studie „MIND“



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