Aktuelles, Experten - geschrieben von am Donnerstag, Oktober 12, 2017 22:27 - noch keine Kommentare

Verschlüsselung eines Kaisers aus dem Dreißigjährigen Krieg geknackt

Der deutsche Germanist Prof. Dr. Thomas Ernst konnte geheime Korrespondenz lesbar machen

[datensicherheit.de, 12.10.2017] Der römisch-deutsche Kaiser Ferdinand III. verwendete im 17. Jahrhundert eine Geheimschrift, die Dechiffrier-Experten lange Zeit nicht entschlüsseln konnten. Klaus Schmeh, einer der weltweit führenden Experten für historische Verschlüsselungstechnik, hat nun gemeldet, dass der in den USA lehrende deutsche Professor Dr. Thomas Ernst diese historische Verschlüsselung knacken konnte.

Experten bissen sich die Zähne aus

Der Habsburger Ferdinand III. (1608-1657) spielte eine wichtige Rolle im Dreißigjährigen Krieg. Historiker stießen bei der Erforschung seines Lebens mehrfach auf verschlüsselte Briefe, deren Inhalt sie brennend interessierte. Sie konnten den von Ferdinand III. verwendeten Code, der aus Zahlen und einfachen geometrischen Symbolen besteht, jedoch nicht knacken.
2014 hatte der Wiener Historiker Prof. Dr. Leopold Auer einen der verschlüsselten Briefe dem deutschen Verschlüsselungsexperten Klaus Schmeh zur Verfügung gestellt. In seinem Blog schrieb der Informatiker über diesen Brief, doch zunächst konnte keiner der Leser die Verschlüsselung lösen. „schmeh.org“ befasst sich mit historischen Verschlüsselungen und wird von zahlreichen namhaften Codenkackern weltweit gelesen.

Abbildung: Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien

Abbildung: Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien

Ein Code aus Zahlen und einfachen geometrischen Symbolen

Ein Philologe und Historiker als Codeknacker

Im Juli 2017 veröffentlichte Schmeh den verschlüsselten Brief Ferdinands ein zweites Mal auf seinem Blog. Zu den Lesern zählte dieses Mal Prof. Dr. Thomas Ernst – ein deutscher Germanist.
Professor Ernst hatte sich bereits in den 1990er-Jahren einen Namen gemacht, als er die 500 Jahre alten Verschlüsselungen des Gelehrten Johannes Trithemius (1462–1516) im dritten Buch von dessen „Steganographia“ löste.
Am 15. September 2017 soll er nun auch den Code von Ferdinand III. mit einer Kombination aus Fachwissen und Intuition erschlossen haben. Im Gegensatz zu den meisten anderen Codeknackern, die in der Regel aus der Computer-Branche kommen, ist Ernst ein Philologe und Historiker, der sich mit der Welt Ferdinands III. schnell vertraut machen konnte. Er lernte zudem, die unverschlüsselten Brief-Passagen des Kaisers zu lesen – die Handschrift Kaiser Ferdinands III. und dessen polyglotter Gebrauch mehrerer Sprachen nebeneinander hatte schon so manchem Interpreten Schwierigkeiten bereitet.

Foto: Prof. Dr. Thomas Ernst

Prof. Dr. Thomas Ernst: Mit der Welt Ferdinands III. schnell vertraut gemacht

Das kaiserliche Motto „AEIOU“ als Türöffner

Ein erster Durchbruch sei gelungen, als Ernst habe feststellen können, dass jedes Symbol, das weder Zahl noch Buchstabe darstellt, durch die Zahl der Striche ersetzt werden könne, die darin vorkommen:
||| steht demnach für „3“ und / für „1“. Durch geratene Wörter und die Berücksichtigung von Buchstaben-Häufigkeiten sei es ihm schließlich gelungen, der kaiserlichen Verschlüsselung auf die Schliche zu kommen.
Er hat laut Schmeh richtig vermutet, dass für Ferdinand das kaiserliche Motto „AEIOU“, welches sich noch heute als Inschrift auf Gebäuden aus der Habsburger-Ära finden lassen, eine Rolle dabei spielte: So zeigte sich, dass „01“ und „02“ für das A standen, „02“ und „12“ für das E, „03“ und „13“ für das I sowie „04“ und „14“ für das O.
Er habe dann durch einen Geistesblitz den Namen „Piccolominea“, welcher von einer Familie geführt wurde, mit der Ferdinand III. korrespondierte, erkennen können und nach diesem geglückten Einstieg bald eine vollständige Chiffriertabelle aufstellen können.

Noch viele weitere Briefe von Ferdinand III.

Es existieren noch viele weitere Briefe von Ferdinand III. und seinem Umfeld, die mit demselben Code verschlüsselt wurden. Professor Ernst plant nach eigenen Angaben nun eine wissenschaftliche Veröffentlichung, in der diese Briefe im Klartext vorgestellt und die Hintergründe erklärt werden sollen.
Professor Auer zeigte sich voll des Lobes über Ernsts Entschlüsselung: „Eine ganz faszinierende Leistung, die für die Geschichte Ferdinands III. natürlich von großer Bedeutung ist.“
Auch Blogger Schmeh zeigt sich begeistert: „Ich bin von Thomas Ernsts DechiffrierLeistung sehr beeindruckt und stolz, dass mein Blog den Anstoß zum Lösen dieses Rätsels gegeben hat.“
Wer nun selbst Lust aufs Codeknacken bekommen hat, müsse sich nicht lange nach einem Betätigungsfeld umsehen. „Es gibt Dutzende weitere ungelöste Verschlüsselungen, die auf meinem Blog aufgelistet sind“, lädt Schmeh ein, und es kämen immer wieder neue dazu.

Weitere Informationen zum Thema:

ScienceBlogs / Klausis Krypto Kolumne, 23.05.2014
Die ungelöste Geheimschrift von Kaiser Ferdinand III.

SAINT VINCENT COLLEGE
Thomas Ernst Ph.D.

ÖAW / universität wien
Leopold Auer, HR Hon.-Prof. Dr. phil.



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