Ausforschung – datensicherheit.de Informationen zu Datensicherheit und Datenschutz https://www.datensicherheit.de Datensicherheit und Datenschutz im Überblick Fri, 12 Jul 2013 13:26:21 +0000 de hourly 1 Ausforschung durch die NSA: Ein Politikum par excellence https://www.datensicherheit.de/ausforschung-nsa-ein-politikum-par-excellence https://www.datensicherheit.de/ausforschung-nsa-ein-politikum-par-excellence#respond Thu, 11 Jul 2013 17:44:44 +0000 http://www.datensicherheit.de/?p=22110 Offenbar hat die Diplomatie bisher versagt – aber nun ist sie mehr denn je gefordert, dass Debakel geordnet aufzulösen und Schäden im transatlantischen Verhältnis zu minimieren. Jeder andere Weg bleibt praktisch wohl versperrt, auch der Rechtsweg, obwohl es durchaus juristische Anknüpfungspunkte gäbe.]]>

Warum im Prinzip nur diplomatisches Handeln bleibt

Notizen und Anmerkungen von ds-Herausgeber Dirk Pinnow

[datensicherheit.de, 11.07.2013] Offenbar hat die Diplomatie bisher versagt – aber nun ist sie mehr denn je gefordert, dass Debakel geordnet aufzulösen und Schäden im transatlantischen Verhältnis zu minimieren. Jeder andere Weg bleibt praktisch wohl versperrt, auch der Rechtsweg, obwohl es durchaus juristische Anknüpfungspunkte gäbe.
Am 10. Juli 2013 lud der Deutsche Anwaltverein (DAV) in Berlin zu einem Pressegespräch zum Thema „NSA / Spionage vs. deutsches Recht“ ein. Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolfgang Ewer, Präsident des DAV, erläuterte die rechtliche Dimension des Skandals. Es falle auf, so der DAV eingangs, dass die US-amerikanischen Behörden Edward Snowden nur Geheimnisverrat und nicht Verleumdung zum Vorwurf machten – dies dürfte dafür sprechen, dass seine Enthüllungen im Wesentlichen zutreffen. Die bekannt gewordenen Abhörmaßnahmen im weiteren Sinne seien überwiegend unverhältnismäßig und somit verfassungswidrig, wenn man sie nach deutschem Recht beurteilen würde. Insofern stellten sich Fragen zum Verhalten der Bundesregierung gegenüber den USA.

Foto: Dirk Pinnow

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DAV-Präsident Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolfgang Ewer

Offenkundig handele es sich bei den Aktionen der NSA um eine Verletzung der staatlichen Souveränität, mithin eine Völkerrechtsverletzung, denn es sei zweifelhaft, dass jemals von deutscher Seite offiziell eine rechtswirksame Zustimmung zur Spionage auf deutschem Grund und gegen Deutsche erteilt worden sei. Das in den 1950er-Jahren zugestandene Recht zu „angemessenen Schutzmaßnahmen“ bei „unmittelbaren Bedrohungen“ US-amerikanischer Militärbasen stehe jedenfalls nicht dafür. Auch seien weder im Truppenvertrag von 1952/1954 noch im Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut von 1959 Autorisierungen zur Datenerhebung durch die USA zu finden, stellte Professor Ewer klar.
Selbst wenn das damalige Westdeutschland in diesem Kontext Zugeständnisse gemacht hätte, wäre das Gebiet der ehemaligen DDR und Berlins davon nicht berührt. Die pauschale Überwachung deutscher Staatsbürger sei offensichtlich unzulässig wie unverhältnismäßig.
Schon aus dem Völkerrecht ließen sich ein Interventionsverbot sowie ein Zugriffsschutz vor Dritten ableiten und damit eine Schutzpflicht des deutschen Staates, denn entscheidend sei der sogenannte „Verletzungserfolg“ im Geltungsbereich des Grundgesetzes. Sollten also staatliche Stellen schon seit Langem Kenntnis über Schutzverletzungen haben, wäre dies ein krasser Verstoß gegen diese Schutzpflicht.
Professor Ewer machte aber auch die Grenzen der Handlungsfähigkeit sehr deutlich: Der Staat sei zwar zu potenziell zielführenden Abwehrmaßnahmen verpflichtet – aber die derzeit praktizierte Korrespondenz auf Ministerebene bzw. die angekündigten Gespräche und Verhandlungen reichten momentan als akzeptable Reaktion im juristischen Verständnis aus; es gebe keinen Rechtsanspruch auf eine konkrete Maßnahme der Bundesregierung. Erst wenn eine ergebnislose Verschleppung dieser Aktionen drohe, käme die Bundesregierung ihrer Pflicht nicht mehr nach.
Als Anwalt empfehle er stets, direkten Verhandlungen vor Gerichtsanrufungen den Vorrang einzuräumen. Eventuell könnten rechtliche Schritte im Kontext diplomatischer Bemühungen zwar einen gewissen begleitenden Handlungsdruck aufbauen, aber der Rechtsweg würde wohl Jahre in Anspruch nehmen. Auch sei es schwierig, eine allgemein zu rügende Praxis rechtlich zu verfolgen, zumal wenn diese als bloße Vorratsdatenspeicherung dargestellt wird, – erst wenn es konkrete, beweisbare Schadensfälle gebe, könnte etwa der UN-Menschenrechtsausschuss angerufen werden.

Keine Frage: Professor Ewers Ausführungen ernüchtern, denn angesichts der ungeheuerlichen Dimension des transatlantischen Vertrauensverlustes wünschen sich wohl viele Verärgerte eine ebenso gewaltige Reaktion. Es ehrt den DAV, deutlich zu machen, dass juristische Schritte zur Erwiderung nicht die erste Wahl sein können!
Professor Ewer hat zum Ende seiner Ausführungen appelliert, eine breite öffentliche Debatte über die Rolle der bundesdeutschen Geheimdienste und ihre Kooperation mit ausländischen Partnern anzustrengen. Zur innenpolitischen Diskussion in Deutschland mit ihren außenpolitischen Implikationen, wie viel Sicherheit einerseits und wie viel Freiheit andererseits wir haben möchten, gibt es keine Alternative. Dann können wir uns im Anschluss auch über konkrete Datensicherungs- und -schutzmaßnahmen verständigen. Vielleicht lässt uns dieser Skandal endlich erkennen, dass Datensicherheit niemals ein Zustand, sondern ein immerwährender Prozess der Annäherung ist.
Wichtig ist jetzt, dass sich die Öffentlichkeit nicht mit Beschwichtigungen der Verantwortlichen in Deutschland abspeisen und von anderen Medienhypes ablenken lässt, sondern die weitere Entwicklung wachsam und konstruktiv-kritisch verfolgt. Der Bürger als Souverän der Republik muss seine gewählten Vertreter nun – gerade in Wahlkampfzeiten – unter Erwartungsdruck setzen. Wenn wir aus dem Kriechgang herauskommen und den aufrechten Gang einüben, dann gelingt auch die Kommunikation auf Augenhöhe – dies- und jenseits des Atlantiks. Bis 1989/90 teilten wir doch dieselben Werte; man sollte gelegentlich nachdrücklich daran erinnern und auf beiden Seiten Mut machen, diese auch in einer globalisierten Welt zu leben; nicht als Gutmensch, sondern als Pragmatiker mit dem Wissen, dass die Wertschöpfung im Informations- und Kommunikationszeitalter im Wesentlichen auch auf Vertrauen, Vertraulichkeit und Integrität basiert. Wer mental in den Überwachungswahn des Kalten Kriegs zurückfällt, sich fast mit der ganzen übrigen Welt überwirft, gar die Aktivitäten des damaligen Ostblocks noch zu übertrumpfen versucht, schadet letztlich der eigenen Gesellschaft und dem eigenen Land, könnte gar im Kontext einer Wirtschafts-, Währungs- und Systemkrise das Schicksal der DDR und der Sowjetunion teilen.
Menetekel gibt es genug – in Form von hoher Jugendarbeitslosigkeit, Tent Cities, Fehlernährung etc. Man sucht „Terroristen“ mit Milliardenaufwand und sieht die seit Jahren selbst gelegten „gesellschaftlichen Zeitbomben“ nicht. Es ist höchste Zeit die Wahrnehmung der Behörden auf die schleichenden Gefahren mit gewaltiger Zerstörungskraft zu lenken und Prioritäten neu zu kalibrieren; noch ist es nicht zu spät!

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AfA Datenschutzforum 2011: Sorge vor Ausforschung durch den Arbeitgeber im Fokus https://www.datensicherheit.de/afa-datenschutzforum-2011-sorge-vor-ausforschung-durch-den-arbeitgeber-im-fokus https://www.datensicherheit.de/afa-datenschutzforum-2011-sorge-vor-ausforschung-durch-den-arbeitgeber-im-fokus#respond Sat, 22 Oct 2011 20:15:13 +0000 http://www.datensicherheit.de/?p=16008 Absage an Generalverdacht gegenüber Beschäftigten

[datensicherheit.de, 22.10.2011] Geht es nach den Plänen der Bundesregierung, soll noch 2011 das neue Beschäftigtendatenschutzgesetz verabschiedet werden. Wissenschaftler, Anwälte und Parteienvertreter diskutierten nun auf dem „AfA Datenschutzforum 2011“ in Dresden den aktuellen Gesetzentwurf gemeinsam mit Betriebsräten aus ganz Deutschland:
Dr. Patrick Breyer, Jurist, Datenschutz-Experte und Mitglied bei der Piratenpartei, kritisierte das Papier besonders deutlich – es müsse ein Grundvertrauen zwischen Arbeitnehmer und -geber da sein. Dieses Vertrauen sieht er angesichts der geplanten Regelung des Datenschutzes gefährdet. Es könne nicht sein, dass Beschäftigte unter Generalverdacht stünden, erklärte auch die Bundestagsabgeordnete Beate Müller-Gemmeke, Sprecherin für Arbeitnehmerrechte der Grünen. Per Betriebsvereinbarung ein Gesetz unterlaufen – das gehe so nicht, machte Müller-Gemmeke deutlich. Doch genau diese Möglichkeit sehe der derzeitige Entwurf mit seinen Änderungen des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) vor. Demnach könnten auf diesem Weg in Zukunft auch weniger strenge Regelungen für den Datenschutz im Betrieb beschlossen werden.
Nicht die Daten der Beschäftigten würden durch den vorliegenden Gesetzesentwurf geschützt, sondern die Interessen der Arbeitgeber an der Überwachung ihrer Arbeitnehmer, so Marc-Oliver Schulze, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Veranstalter des „AfA Datenschutzforums“. Und das nunmehr im Bundesinnenministerium erstellte Änderungspapier werde womöglich alles noch schlimmer machen. Die geplanten Änderungen des BDSG ermöglichten Arbeitgebern eine einfachere Kontrolle ihrer Angestellten.

Foto: Sputnik - Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Münster

Foto: Sputnik - Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Münster

Marc-Oliver Schulze, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Veranstalter des „Datenschutzforums“, kritisiert das geplante Gesetz.

Prof. Dr. Wolfgang Däubler von der Universität Bremen erläuterte, dass beispielsweise ungenügend geregelt sei, in welchen Bereichen und wann eine Videoüberwachung am Arbeitsplatz erlaubt sein soll. Auch der Zugriff auf private Daten des Arbeitnehmers sei nach seiner Einwilligung möglich – aber die Behauptung, dass diese Zustimmung freiwillig sei, gehe an der Realität im Arbeitsleben vorbei, betonte Prof. Däubler. Er sieht dem BDSG mit Sorgen entgegen – ein neues Gesetz müsse Fragen
klären, nicht neue Unklarheiten schaffen.
Dr. Stefan Brink, Referatsleiter beim Landesbeauftragten für den Datenschutz in Rheinland-Pfalz, sagte auf dem „Datenschutzforum“, dass es zunächst gut sei, überhaupt ein Gesetz zu haben. Dies dürfe aber nicht von den vielen negativen Punkten in dem Entwurf ablenken. Er empfahl allen, die Probleme mit dem Datenschutz in ihrem Konzern haben, sich direkt an die Aufsichtsbehörden zu wenden – diese seien heute viel besser ausgestattet als noch vor fünf Jahren und könnten somit allen Beschwerden nachgehen.

Weitere Informationen zum Thema:

AfA
DATENSCHUTZ FORUM 2011

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