Aktuelles, Experten - geschrieben von am Dienstag, November 5, 2024 19:19 - noch keine Kommentare

Neue Grundsatzentscheidung zwingt Notare zur Ermittlung von Daten für das Nachlassverzeichnis

Oberlandesgericht Hamm verlangt von den Notaren, das zur Berechnung des Pflichtteils erforderliche Nachlassverzeichnis akribisch zu führen

[datensicherheit.de, 05.11.2024] Laut einer aktuellen Meldung des Web-Portals „die erbschützer“ gibt es es „gute Nachricht für alle enterbten oder übergangenen Verwandten, die den Pflichtteil einfordern“ – das Oberlandesgericht Hamm verlangt demnach von den Notaren, das zur Berechnung des Pflichtteils erforderliche Nachlassverzeichnis akribisch zu führen. Daher dürfen sich diese nicht länger auf unvollständige Angaben der Erben verlassen, sondern müssten selbst bei der Nachlassermittlung zugunsten Pflichtteilsberechtigter initiativ werden.

Notare müssen selbst Nachlassvermögen umfassend über die letzten zehn Jahre vor dem Tod des Erblassers ermitteln

In der Praxis bedeute dies: Der Notar müsse die Kontoauszüge der letzten zehn Jahre von den Erben oder den Banken herausverlangen und diese etwa auf mögliche Schenkungen durchforsten. Werden Notare fündig, erhöhe dies die Erbschaftssumme, aus der übergangene Erben ihren Pflichtteil verlangen könnten. Rechtsanwalt Dr. jur. Sven Gelbke, Geschäftsführer der JustSolutions GmbH, Herausgeberin „die erbschützer“, kommentiert: „Die Entscheidung stellt klar, dass sich Notare nicht einfach auf die Vermögensangaben der Erben verlassen dürfen und deren Angaben nach stichprobenartiger Überprüfung einfach übernehmen können!“

Vielmehr müssten die Notare selbst das Nachlassvermögen umfassend über die letzten zehn Jahre vor dem Tod des Erblassers ermitteln. „In der Deutlichkeit hat das noch kein Gericht verlangt“, betont Dr. Gelbke die Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm (Az.: I-5 W 94/23). Das Gericht habe bei Schenkungen des Erblassers an den Ehegatten die Ermittlungspflicht der Notare sogar ausdrücklich auf die gesamte Dauer der Ehe ausgedehnt – „auch wenn dies Zeiträume betrifft, die länger als zehn Jahre zurückliegen“.

Ganze Jahrgänge ohne Kontoauszüge: Weil Erbin kein notarielles Verzeichnis vorlegte, wurde sie verurteilt

Dr. Gelbke berichtet: „In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte ein übergangener Erbe gegen die Ehefrau des 2018 verstorbenen Mannes auf Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses geklagt, um seine Pflichtteilsansprüche gegen die Alleinerbin geltend machen zu können. Weil die Erbin das notarielle Verzeichnis nicht vorlegte, erging ein Urteil gegen sie. Weil sie die darin festgesetzte Frist ignorierte, setzte das Gericht im Vollstreckungsverfahren ein Zwangsgeld in Höhe von 500 Euro gegen sie fest.“ Erst Anfang 2023 habe die Erbin dann ein notarielles Nachlassverzeichnis vorgelegt. Der übergangene Erbe habe indes moniert, dass jenes Nachlassverzeichnis seinen Namen nicht wert gewesen sei.

Dieses Verzeichnis habe nicht der Vorgabe genügt, alle lebzeitigen unentgeltlichen oder teilunentgeltlichen Zuwendungen des Erblassers innerhalb von zehn Jahren vor dessen Todestag anzugeben. „So fehlten Angaben zu den Konten des Erblassers zwischen den Jahren 2008 bis 2010.“ Die Angabe des Notars, er habe die Konten des Erblassers im Rahmen eigener Ermittlungen erst ab dem 1. Februar 2012 gesichtet, habe nicht dazu gepasst, „dass der Notar als mögliche ausgleichspflichtige Schenkung eine Transaktion auf dem Konto des Verstorbenen vom 29.7.2011 angegeben hatte“.

Notare müssen Bestand des Nachlasses selbst und eigenständig ermitteln und klar zum Ausdruck bringen, den Inhalt selbst zu verantworten

Das habe das Oberlandesgericht Hamm genauso gesehen: „Ende 2023 verurteilte es die Alleinerbin zu weiteren 500 Euro Zwangsgeld, weil sie ihrer Verpflichtung zur Vorlage eines lückenlosen notariellen Nachlassverzeichnisses nicht nachgekommen war.“ Zum Hintergrund: Der Anspruch auf Vorlage eines notariellen Verzeichnisses solle es dem Pflichtteilsberechtigten ermöglichen, sich die notwendigen Kenntnisse zur Bemessung seines Pflichtteilsanspruchs zu verschaffen. Hierbei solle ein notarielles Nachlassverzeichnis eine größere Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Auskunft als das private Verzeichnis des Erben bieten.

Dementsprechend müsse der Notar den Bestand des Nachlasses selbst und eigenständig ermitteln und klar zum Ausdruck bringen, „dass er den Inhalt selbst verantwortet“. Der Notar sei in der Ausgestaltung des Verfahrens weitgehend frei. Er müsse zunächst von den Angaben des Auskunftspflichtigen ausgehen. „Allerdings darf er die Angaben des Erben nicht nur auf Plausibilität prüfen und dann seine Recherchen einfach einstellen. Vielmehr muss er den Nachlass selbst ermitteln und feststellen. Dabei hat er diejenigen Nachforschungen anzustellen, die ein objektiver Dritter in der Lage des Gläubigers für erforderlich halten würde“, macht Dr. Gelbke deutlich.

Notare dürfen sich nicht allein auf Bankauskünfte verlassen und müssen auch Lebensversicherungen in das Verzeichnis aufnehmen

Ausgehend von diesem Maßstab gehöre zu der Ermittlung von Zuwendungen, „dass der Notar Einsicht in die vollständigen Kontounterlagen bzw. Kontoauszüge des Erblassers nimmt“. In dem entschiedenen Fall habe das Gericht moniert, dass es sich der Notar zu leicht gemacht habe, „indem er sich darauf berufen hatte, dass die Bank keine älteren Kontodaten mehr aufbewahre“. Möglich sei nämlich, dass die Alleinerbin die entsprechenden Kontoauszüge noch liefern könnte.

Außerdem habe das Gericht moniert, dass der Notar die Alleinerbin nicht nach Schenkungen jenseits der Zehn-Jahresfrist befragt habe. „Erst recht fehlt es laut Gericht an Ermittlungen seitens des Notars, die über die Wiedergabe der Auskunft der Schuldnerin hinausgehen.“ Unvollständig habe das Gericht das vom Notar erstellte Nachlassverzeichnis bezüglich. der darin aufgeführten Lebensversicherungen erachtet. „Hier habe der Notar nicht klar herausgearbeitet, welche Beträge als Schenkungen anzusehen sind – die ausgezahlte Versicherungssumme oder die vorher eingezahlten Prämien.“

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