Aktuelles, Experten - geschrieben von dp am Mittwoch, Mai 22, 2024 20:05 - noch keine Kommentare
Leben ohne Digitalzwang: Digitalcourage startet Petition am 23. Mai 2024
Der Trend zum Digitalzwang macht sich breit – immer öfter wird gefordert, sich einzuloggen, online zu registrieren oder eine App herunterzuladen
[datensicherheit.de, 22.05.2024] Der Digitalcourage e.V. fordert in seiner Stellungnahme vom 22. Mai 2024, das Recht auf ein „Leben ohne Digitalzwang“ ins Grundgesetz aufzunehmen. „Ohne Smartphone keine Speisekarte, ohne E-Mail keine Fahrkarte, ohne App kein Paket, ohne Account keinen Arzttermin – dieser Trend zum Digitalzwang nimmt gerade an Tempo auf. An immer mehr Stellen werden wir genötigt, uns einzuloggen, online zu registrieren oder eine App herunterzuladen – und dabei immer mehr persönliche Daten preiszugeben”, kritisiert Rena Tangens, Digitalcourage-Gründerin und -Vorstand, zur Begründung dieser Initiative.
Digitalzwang – Digitalcourage bearbeitet das Thema seit 2021
Digitalcourage bearbeitet das Thema „Digitalzwang“ nach eigenen Angaben seit 2021 – täglich erreichten die Grundrechtsorganisation Beschwerden von Menschen über Benachteiligungen und De-facto-Ausschluss. Der Deutschen Post DHL hatte Digitalcourage 2023 einen viel beachteten „BigBrotherAward“ für den Digitalzwang bei ihren neuen Packstationen verliehen.
Auch der zunehmende Zwang, die Terminplattform des Unternehmens Doctolib zu nutzen, um einen Arzttermin zu bekommen, sei mehrfach Thema gewesen. Digitalcourage habe sich mehrfach gegen die Versuche der Deutschen Bahn ausgesprochen, Menschen zur Benutzung der App „DB Navigator” zu nötigen, und gegen das „übergriffige Tracking in dieser App“ geklagt.
Nun möchte Digitalcourage das Problem grundlegend angehen: „Wir wollen das Übel jetzt bei der Wurzel packen: Wir fordern den Bundestag auf, das Recht auf ein Leben ohne Digitalzwang ins Grundgesetz aufzunehmen!”, erklärt Julia Witte, Redakteurin und Campaignerin bei Digitalcourage.
Digitalcourage-Petition startet am 23. Mai 2024
Zum 75. Jubiläum des Grundgesetzes startet Digitalcourage deshalb eine an den Bundestag gerichtete Unterschriftensammlung. Die Online-Petition soll am 23. Mai 2024 (Donnerstag) beginnen und dann über die Digitalcourage-Website zu finden sein. Es werde aber auch die Möglichkeit geben, offline auf Papier zu unterzeichnen.
„Mit dieser Petition fordert Digitalcourage die Bundesregierung auf, das Recht auf ein Leben ohne Digitalzwang ins Grundgesetz aufzunehmen und damit gesetzlich zu verankern.“
Denn die Wahrnehmung der Grundrechte und der Daseinsvorsorge, die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben und die Nutzung der öffentlichen Infrastruktur (z.B. Post, Bahn, medizinische Versorgung) dürfe nicht davon abhängig gemacht werden, „dass Menschen das Internet, ein Smartphone oder bestimmte Software benutzen“.
Digitalzwang schließt zu viele Menschen aus
Der Digitalzwang schließe viele Menschen aus: Davon betroffen seien oft alte oder kranke Menschen, Menschen mit Behinderung und Menschen mit geringem Einkommen, die sich ein (aktuelles) Smartphone und die Kosten für mobile Daten nicht leisten könnten.
Ein Digitalzwang betreffe aber auch oft sehr technik-affine Menschen, so Tangens: „Es gibt Leute, die behaupten, das sei ein Problem, das irgendwann ‚wegsterben‘ würde. Das ist nicht nur zynisch, sondern auch schlicht falsch!“ Denn Digitalzwang betreffe nicht nur Senioren, „sondern auch Menschen, die ihr Recht auf Informationelle Selbstbestimmung ernst nehmen, die nicht wahllos Apps auf ihrem Gerät installieren möchten und nicht bei jeder alltäglichen Handlung eine Datenspur hinterlassen wollen“. Auch die Nutzung alternativer Betriebssystemen oder die bewusste Ablehnung der App-Stores großer Anbieter führe oft zu einem Ausschluss von digitalen Angeboten.
Für Witte ist die Wahlfreiheit wichtig: „Ich möchte auch mal ohne Smartphone das Haus verlassen können! Es gibt viele Gründe, aus denen sich Menschen entscheiden, dauerhaft oder zeitweise kein Smartphone zu haben: Weil sie digitale Gewalt erlebt haben, weil sie bewusst nicht ständig erreichbar sein wollen oder ein Suchtpotenzial meiden wollen. Und schließlich kann auch einfach mal der Akku leer sein.”
Digitalcourage fordert gut durchdachte, datenschutzfreundliche Digitalisierung – und Beibehaltung analoger Strukturen
Digitalcourage befürworte grundsätzlich „eine durchdachte, datenschutzfreundliche Digitalisierung, wenn analoge Zugänge bestehen“. Das sei aber oft nicht der Fall – Witte führt hierzu aus: „Digitalisierung scheint für viele zu bedeuten: Wir machen jetzt eine App und bieten alle unsere Dienste nur noch darüber an. Diese App gibt es dann ausschließlich im Google-Playstore oder im Apple-Store und ist im schlimmsten Fall auch noch voller Tracker. Dabei könnten mit ein bisschen mehr Kreativität und Weitsicht bessere, inklusivere Lösungen gefunden werden!”
Mit der Petition möchte Digitalcourage jetzt für ein Umdenken sorgen: „Die Zeit drängt, denn immer mehr analoge Dienste, die uns bisher zur Verfügung standen, werden abgeschafft“, warnt Tangens.
Diese analoge Infrastruktur später wieder aufzubauen, werde schwierig, „wenn sie erst einmal verschwunden ist“. Tangens stellt abschließend klar: „Wir sollten sie auch aus Gründen der Resilienz bewahren. Deshalb gehört das Recht auf ein Leben ohne Digitalzwang ins Grundgesetz!“
Weitere Informationen zum Thema:
digitalcourage, Leena Simon, 24.04.2023
Ich will Ihre App aber nicht installieren! / Digitalzwang
digitalcourage, Leena Simon, 23.05.2023
Der Verfassung zum Geburtstag / Grundrecht auf analoges Leben
digitalcourage
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