Aktuelles, Branche, Produkte - geschrieben von dp am Mittwoch, Oktober 5, 2011 23:38 - noch keine Kommentare
Keilschrift der Sumerer als Vorbild: Langzeitarchivierung digitaler Daten auf Glas-Disks
„GlassMasterDisc“ der Syylex AG könnte Daten für Jahrtausende speichern
[datensicherheit.de, 05.10.2011] Die moderne Informationstechnologie ist aus unserem täglichen Leben nicht mehr wegzudenken, birgt aber auch immense Gefahren, denn immer mehr wertvolle Kultur- und Geschäftsdaten, Ergebnisse aus Wissenschaft und Forschung und auch private Erinnerungen, liegen heute fast ausnahmslos nur noch digital vor. Schätzungen zufolge verdoppelt sich der weltweite Datenbestand alle zwei Jahre. Gleichzeitig ist die Haltbarkeit heutiger Informationsspeicher kürzer denn je.
Fachleute begegnen dem durch ständiges Kopieren der Daten. Dennoch erleben wir einen beispiellosen Informationsverfall, der sich – von wenigen spektakulären Fällen abgesehen – schleichend schleichend und fast unbemerkt vollzieht.
Wir leben im sogenannten „Informations- bzw. Internetzeitalter“, in einer Ära der beispiellosen Informationsexplosion. Es ist absolut hoffnungslos, all diese unüberschaubaren Inhalte wie Texte, Graphik, Bilder, Video, Töne, Simulationen, Animationen, etc. jemals zu konservieren. Aber auch wer nur einen kleinen, archivwürdigen, digitalen Teil für spätere Generationen erhalten will, sieht sich einem grundlegendem Dilemma gegenüber – digitale oder elektronisch gespeicherte Informationen sind heute einem großen Verlustrisiko ausgesetzt. Verglichen mit nicht-digitalen Speichermedien haben alle heutigen digitalen Speicher die bei weitem kürzeste Haltbarkeit.
Die Keilschrift der Sumerer auf Tontafeln überdauerte mehr als 4.000 Jahre, Jahrtausende alte Schriften auf Pergament sind noch immer lesbar, säurefreies Papier hält bis zu 500 Jahre, Schwarz-Weiß-Film auf Polyestermaterial soll bei geringer Luftfeuchtigkeit, niedriger Temperatur und völliger Dunkelheit mehrere hundert Jahre halten. Dagegen weisen digitale Speichermedien wie magnetische Festplatten und Festkörperspeicher (USB-Sticks, Speicherkarten) kurze Lebensdauern und hohe Ausfallraten auf, Datenverluste sind häufig. Magnetbändern bescheinigen Fachleute eine „Lebensdauer“ von immerhin zehn bis 20 Jahren. Konventionelle optische Datenträger wie CD, DVD und BD mit eingeprägten Vertiefungen (Pits) sind noch am dauerhaftesten. Ihre Haltbarkeit kann abhängig von den Lagerungsbedingungen 50 bis 100 Jahre betragen. Dies gilt jedoch nicht für selbst beschriebene Disks – dabei schwankt die Haltbarkeit aufgrund von Qualitätsmängeln der Disk oder nicht optimierter Schreibstrategie des Recorders stark. Digitale Speicher haben noch ein weiteres Problem – vor dem Komplettversagen merkt man in der Regel zunächst wenig. Ausgeklügelte, geräte-interne Fehlerkorrekturverfahren gaukeln dem Nutzer die einwandfreie Lesbarkeit der Daten vor, und zwar so lange bis die Fehlerrate einen systembedingten Schwellwert überschreitet. Oberhalb dieses Grenzwerts sind die Daten nicht mehr rekonstruierbar – die Daten sind dann von einem Moment zum anderen verloren.
Zwei Verfahren sind heute gebräuchlich, um Informationen dauerhaft haltbar zu machen. Die erste Methode, das ständige Kopieren, wird in verschiedenen Varianten angewendet. Dazu gehört u.a. das automatische Spiegeln der Daten mit geeigneter Software und Hardware (Redundant Array of Independent Disks, RAID) sowie das rechtzeitige Überspielen der Daten auf frische Datenträger (Backup). Vorteil ist die Verfügbarkeit der Daten auf aktuellen Datenträgern bzw. Laufwerkssystemen. Nachteilig ist jedoch der hohe Personal- und Energiebedarf für den Betrieb und die Wartung der Systeme sowie die Pflege der Daten. Zudem kann das ständige Kopieren einem Datenverlust nicht verlässlich vorbeugen – es kann vorkommen, dass Daten beim Kopieren verloren gehen oder falsch gespeichert werden. Die zweite Methode ist das stark verkleinerte Belichten von Dokumenten auf Mikrofilm. Vorteilhaft dabei ist, dass (analoge) Text- und Bild- Informationen mithilfe einfacher optischer Lesegeräte wiedergegeben werden können. Nachteilig für den Haus- und Bibliotheksgebrauch sind u.a. die eingeschränkte und umständliche Speicherung originär digitaler Daten, die Lagerung des Films unter vorgegebenen Umgebungsbedingungen, die aufwändige Archivverwaltung sowie die eingeschränkte Suchfunktionalität.
Als eine dritte Methode bietet sich nun die Rückbesinnung auf das bewährte Konzept der Keilschrift auf Tontafeln an. Die erst 2010 gegründeten Firma Syylex in Villingen-Schwenningen ging der Frage nach, ob man mit modernen Verfahren (digitale) Informationen mit hoher Informationsdichte in ein möglichst hartes Material einbringen könnte – so wie seinerzeit die Sumerer und Pharaonen Schriftzeichen in Ton bzw. Granit eingraviert und damit Jahrtausende überliefert haben. Die moderne Übersetzung dieses Konzeptes für die Langzeitarchivierung digitaler Daten ist eine Disk aus Spezialglas mit eingebrachten Vertiefungen – praktisch ewig haltbar, ohne spezielle Anforderungen an die Lagerung, einmalige Anschaffungskosten und damit bereits nach wenigen Jahren wirtschaftlich. Eine von innen nach außen laufende spiralförmige Spur von mikroskopischen Vertiefungen enthält die digitale Information. Die Vertiefungen (Pits) im Glas werden unter Reinraumbedingungen mit einem speziellen lithographischen Verfahren hergestellt. Dabei werden Fertigungstechnologien aus den Bereichen optische Disk und Halbleiter kombiniert. Im ersten Fertigungsschritt wird das Glassubstrat mit einem Fotolack beschichtet. Danach werden die Daten mit einem hochpräzisen Lasersystem auf die so vorbereitete Disk geschrieben. Dadurch wird die Löslichkeit des Foto-Lacks durch eine fotochemische Reaktion lokal verändert. Danach wird der Fotolack entwickelt und in den belichteten Bereichen entfernt. Die so entstandene Fotolack-Maske dient dazu, die Datenstruktur mit Hilfe eines Ätz-Verfahrens auf die Glas-Disk zu übertragen.
Daten als Vertiefungen im Glas in der „GlassMasterDisc“ – aufgenommen mit einem Raster-Kraft-Mikroskop (Aufnahme: Quadrat der Kantenlänge 5 Mikrometer).
Durch die Verwendung von Glas als Trägermaterial ist die Disk resistent gegenüber allen denkbaren Umwelteinflüssen wie Wärme, Feuchtigkeit und Licht. Die Bruchempfindlichkeit ist durch den Aufbau als Glas-Laminat minimiert. Durch geschickte Wahl sowohl der Form der Vertiefungen als auch der Datenstruktur ist die „GlassMasterDisc“ abspielbar auf allen DVD- und BD-Endgeräten. Weitere Vorteile sind die Unveränderbarkeit der Daten („eingebaute Revisionssicherheit“), die Möglichkeit zum Aufbau skalierbarer digitaler Archive und die Herausnahme der Daten aus dem Netzwerk und damit der Schutz vor dem Zugriff Dritter. In langen Testreihen seien die Glas-Disks erhöhter Temperatur und Feuchtigkeit ausgesetzt worden. Während alle Kunststoff-Disks nach vergleichsweise kurzer Zeit alterten und unlesbar würden, könnten bei den Glas-Disks keine Veränderungen festgestellt werden. Bei Lagerung unter normalen Bedingungen dürfe man daher getrost von einer praktisch unendlichen Haltbarkeit der Glas-Disk ausgehen. Der berechtigte Zweifel, ob es in fünfzig oder hundert Jahren noch optische Laufwerke, Schnittstellen und entsprechende Computer-Betriebssysteme für die Lesegeräte geben werde, lasse sich durch folgende Argumente entkräften – die optischen Disk-Formate seien auf Langlebigkeit ausgelegt. Von den vielen Milliarden Laufwerken würden auch in hundert oder mehr Jahren noch hinreichend Restbestände vorhanden sein. Einem größeren Archiv sei zudem angeraten, ein paar kostengünstige Laufwerke mit ins Archiv zu übernehmen. Die Disk-Formate seien weltweit standardisiert – Lesegeräte könnte man somit im Notfall ohne Weiteres nachbauen. Wenn unsere Nachfahren in fünfhundert oder tausend Jahren die Glas-Disk lesen wollen, könnten sie die Vertiefungen alternativ auch mit einem Mikroskop auslesen.
„GlassMasterDisc“ der Syylex AG
Eine Grundproblem der digitalen Datenarchivierung scheint mit der neuartigen Glas-Disk auf jeden Fall gelöst worden zu sein – die „GlassMasterDisc“ der Syylex AG ermögliche die Langzeitarchivierung digitaler Daten ohne ständiges Umkopieren und damit ohne die Gefahr des Datenverlustes. Die Kosten für die Speicherung fielen nur einmalig an.
Der Schutz der Daten vor dem Zugriff Dritter könne auf einfache Weise gewährleistet werden.
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