Aktuelles, Interviews - geschrieben von dp am Sonntag, Juni 17, 2018 8:02 - noch keine Kommentare
Die im Dunklen sind nicht sicher: Ein Impuls für mehr Sicherheit und Nachhaltigkeit
Ein Experten-Gespräch über die richtige Beleuchtung von Arbeitsstätten und Implikationen für die betriebliche Sicherheit und Produktivität
[datensicherheit.de, 17.06.2018] Über die Wechselwirkung von künstlicher Beleuchtung mit Gesundheit und Sicherheit in Betrieben sprach Dirk Pinnow, u.a. Herausgeber datensicherheit.de (ds) und Leiter des VDI/VDE-Arbeitskreises Sicherheit, am 14. Juni 2018 mit Günther Gdanietz, Geschäftsführer der BERLINER LICHTWERKSTATT. Gdanietz ist TÜV-zertifizierter Sachkundiger für die Bewertung von bestehenden Beleuchtungsanlagen und Lichtplaner. Sein Motto: „Licht ist unsere Leidenschaft – Licht ist Leben!“
Die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit auch bei der Beleuchtung
Arbeitgeber sowie Betreiber von Gebäuden und Produktionsstätten sind verpflichtet, Unfall- und Gesundheitsgefahren in Folge mangelnder oder unzureichender Beleuchtung zu begegnen. Eigentlich müsste jedes derartige Unternehmen eine aktuelle Dokumentation der Beleuchtungsanlagen vorhalten und für die regelmäßige Wartung und Überprüfung durch sachkundige Fachkräfte sorgen.
Wen wundert es da aber angesichts der Erfahrungen aus der Alltagspraxis beim vermeintlich trivialen Beispiel Beleuchtung, wenn Betriebe sich auch mit Notfall- und Wiederanlaufplänen für ihre Rechentechnik schwer tun? Wie soll es erst einmal werden, wenn im Kontext der Industrie 4.0 und des „Internets der Dinge und Dienste“ alles mit allem verknüpft werden soll?
Über Analogien und Lehren aus dem Umgang mit Sicherheitsrisiken in Betrieben handelt folgendes Gespräch (Auszug).
Unbehagen am Arbeitsplatz als Sicherheitsrisiko
ds: Herr Gdanietz, in der Vorbereitung auf unser heutiges Gespräch fühlte ich mich hier in unserem Redaktionsbüro – in relativer Nähe zur TU Berlin – an mein damaliges nicht-technisches Prüfungsfach ‚Arbeitsmedizin und Arbeitssicherheit‘ erinnert: Damals wurde mir anhand von Videos aus Beständen der Berufsgenossenschaften sehr drastisch vor Augen geführt, welche Komplexität das Zusammenspiel der Arbeitsplatzbedingungen im Kontext der betrieblichen Sicherheit hat.
Seitdem sind ja nun einige Jahre ins Land gegangen und ich würde gerne von Ihnen heute erfahren, warum Sie mit einem geradezu ,missionarischen Eifer“ unterwegs sind, um Überzeugungsarbeit vor allem für eine bessere Beleuchtung an Arbeitsplätzen in Betrieben, Behörden und Bildungseinrichtungen zu verrichten!
„Beleuchtungs-Missionar“ Gdanietz demonstriert mit seinem Leuchtenkoffer die unterschiedliche Qualität von LED-Leuchtröhren: von der extrem flimmernden Billigvariante mit ungleicher Ausleuchtung und noch relativ hoher Leistungsaufnahme über eine Mittelklasse-Variante bis zur Hightech-Lösung aus dem Fachhandel mit höherem Anschaffungspraxis, aber höherer Lichtqualität und Lebensdauer sowie absehbarer Amortisation
Gdanietz: Während heute immer mehr Gelder in die Digitalisierung fließen, wird die traditionelle Betriebsausstattung leider oft ,auf Verschleiß‘ gefahren: Laut ZVEI [1] gelten über 75 Prozent der Beleuchtungsanlagen als stark veraltet und sanierungsbedürftig. Die Folgen: Menschen sind tagtäglich falschen Lichtfarben, Lichtflimmern und der Abnahme der Beleuchtungsintensität sowie -gleichmäßigkeit ausgesetzt…
ds: Da kommt mir gleich ein Großraumbüro vergangener Dekaden in den Sinn – mit summenden, flackernden und defekten Leuchtstoffröhren – und es stellt sich bei mir sofort ein gewissen Unbehagen ein. Motiviert arbeiten geht wohl anders?
Gdanietz: Die Beschäftigten ermüden unter solchen Umständen zwangsläufig sehr schnell – aber es droht nicht allein eine Konzentrationsschwäche, die mit reichlich Kaffee bekämpft werden könnte, es kann im Extremfall zu Krankheiten und Unfällen kommen. Fragen Sie Arbeitsmediziner: Zwischen schlechter Beleuchtung und Fehlzeiten besteht ein Zusammenhang!
ds: Mangelnde Motivation, Ermüdung und Fehlzeiten sind jetzt nicht gerade das, was im Zuge der Digitalen Transformation mit ihrer durchgehenden Digitalisierung und Vernetzung gebraucht wird.
Erforderlich sind doch wohl gesunde, hochmotivierte und -konzentrierte Mitarbeiter, die von sich aus ein hohes Maß an Sicherheit bei der Bedienung von Produktionseinrichtungen, aber auch IuK-Systemen [2] erzielen können!
Gdanietz: Menschen sind von der Evolution her nicht für Kunstlicht geschaffen: Wir sind das natürliche Sonnenlicht gewöhnt, haben also bisher keine Kompensationsmöglichkeit für Flimmerlicht entwickelt. Wenn ein Mensch flimmerndem Licht ausgesetzt wird, egal ob er es bewusst oder nur unbewusst wahrnehmen kann, wird sein Körper unter Stress gesetzt. Es werden körpereigene Ressourcen für eine versuchte Anpassung aufgewendet, die im Grunde nie gelingen kann!
ds: Das erinnert mich an eine fatale Wiederholungsschleife in einem Strukturdiagramm, aus der es fast keinen Ausstieg gibt, weil das Abbruchkriterium nie oder in der Realität selten erreicht wird: Während der Arbeitszeit gibt es dann also gar kein Entkommen… Kein Wunder, wenn die Belegschaft unter solchen Bedingungen die Pausen, den Feierabend und das Wochenende herbeisehnen und vielleicht sogar in eine Krankheit ,flüchten‘ müssen, um einer solchen Tortur zu entkommen.
Fahren auf Verschleiß: Das Spiel mit dem Feuer
Gdanietz: Ich setze mal noch was drauf, weil Sie ja so gerne nach Auswirkungen auf die betriebliche Sicherheit fragen: Betriebliche Beleuchtungsanlagen sind eben oft technisch stark veraltet, was nicht nur zu den eben diskutierten Folgen für die Gesundheit und Motivation führt. Es gibt leider bisher kaum eine regelmäßige Überprüfung durch Sachverständige – also selten bis nie…
Alte Leuchtmittel aber setzen einen hohen Anteil der aufgenommenen Energie in Wärme um – stellen Sie sich mal vor, was das mit den Bauteilen macht, die oft aus Kunststoff hergestellt sind: Die Vorschaltgeräte leiden, die Kabel und Kondensatoren! Oft lassen sich dann auch noch abisolierte, brüchige, verschmorte oder sogar durchgeschmorte Kabel entdecken – da droht nicht nur der Ausfall der Beleuchtung, sondern es sind Kurzschlüsse zu befürchten und eine erhöhte Brandgefahr.
ds: Wenn in einem so ausgestatteten Büro auch die regelmäßige Backup-Erstellung auf die leichte Schulter genommen wird, vielleicht gar nicht stattfindet bzw. die Datenträger auch direkt am Ort aufbewahrt werden…
Also, Herr Gdanietz, wir brauchen das jetzt wohl nicht weiter zu vertiefen – unser Web-Magazin ist ja voll von Darstellungen der Gefahren für die betriebliche Kontinuität im IT-Kontext. Wir möchten unsere Leser ja nicht nur mit den Gefahren der betrieblichen Existenz konfrontieren, sondern auch Anregungen geben, was sich konkret verbessern lässt – haben Sie auch eine gute Nachricht abseits eines puren Werbe-Slogans?
Planbare Amortisation moderner Beleuchtung
Gdanietz: Eigentlich hätte ich jetzt gerne gesagt: ,Das Geld hängt an der Decke!‘ Nun: Ich bin überzeugt, dass die Auswahl geeigneter Lichtquellen maßgeblich die Sicherheit, Behaglichkeit und Produktivität am Arbeitsplatz beeinflusst und auch dem Grundsatz des nachhaltigen Wirtschaftens folgt. Wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass zum Beispiel die Auswahl der richtigen Lichtfarben die Leistungsfähigkeit bis zu 20 Prozent steigern kann – und die Fehlerquoten auf die Hälfte gesenkt werden kann.
Wie vorhin schon gesagt: Dabei sollten aus den genannten Gründen tageslichtähnliche Lichtfarben bevorzugt werden – Experten sprechen von Licht mit einer Farbtemperatur von 5.500 bis 6.500 Kelvin [3]. Und es ist heute durchaus möglich, möglichst flimmerfreie Lichtquellen zu verwenden.
Um es auf den Punkt zu bringen: Eine biologisch wirksame Beleuchtung kann Lebensqualität und Leistungsfähigkeit deutlich steigern – und sie zahlt sich innerhalb überschaubarer Zeiträume aus! Energieeffiziente Beleuchtungsanlagen können nach Untersuchungen der Beuth Hochschule für Technik Berlin Betriebskosten um bis zu 70 Prozent reduzieren…
ds: Da kommt mit gleich das Pareto-Prinzip, die 80-20-Regel, in den Sinn…
Empfehlung: Preis und Leistung vergleichen! Rechts eine handelsübliche relativ günstige, für den betrieblichen Dauerbetrieb eher ungeeignete LED-Glühlampe, links ein nur im Fachhandel erhältliches Highttech-LED-Leuchtmittel, das auch als Notbeleuchtung einsetzbar ist (dann mit Gleichspannung betrieben, daher mit „DC“-Symbol gekennzeichnet)
Gdanietz: Tatsächlich konnte unter Praxisbedingungen sogar vereinzelt eine 80-prozentige Kostenreduzierung nachgewiesen werden! Aber ganz realistisch: Ich rechne bei meinen Angeboten mit Amortisationszeiten von oft weniger als zwei Jahren. Und wer gerade nicht das nötige Eigenkapital hat, kann auf verschiedene Finanzierungsinstrumente wie Leasing, Miete oder Lichtcontracting zurückgreifen, um eine schnelle Umsetzung zu ermöglichen.
Empfehlung: Auf professionelles Wärmemanagement achten! Rechts eine handelsübliche, relativ günstige LED-Leuchtröhre (überwiegend aus Kunststoff mit schlechter Wärmeabführung), links eine nur im Fachhandel erhältliche Highttech-LED-Leuchtröhre mit optimierter Wärmeabfuhr (die LEDs sind auf Aluminiumschiene gesteckt, auf Klebstoff wird verzichtet)
Mehr Sicherheit und Wirtschaftlichkeit: Biologisch wirksame Beleuchtung am Arbeitsplatz
ds: Unsere Plauderei nähert sich wohl doch noch einem versöhnlichen Ende… Möchten Sie Ihre Botschaft vielleicht – möglich kurz – zusammenfassen?
Gdanietz: Sie können dann ja gerne kürzen… Also: Wir halten uns überwiegend in Innenräumen mit Kunstlicht auf – uns geht der Bezug zum natürlichen Tag-Nacht-Rhythmus verloren. Stichwörter: Schichtbetrieb und Innenräume.
Und nun der Knackpunkt: Im Freien können wir selbst an bewölkten Tagen noch mehrere Tausend Lux [4] Beleuchtungsstärke messen. Und am Arbeitsplatz? Dort sind es oft nur 500 bis 700 Lux! Das ist dann durchaus normgerechte künstliche Beleuchtung, doch es fehlt die biologische Lichtwirkung.
An einem solchen Funzel-Arbeitsplatz würden Wissenschaftler noch von ,biologischer Dunkelheit‘ sprechen, denn die Weiterleitung von Lichtreizen auf dem sogenannten biologischen Pfad geschieht im Mittel erst so ab etwa 800 bis 1.000 Lux.
Wenn wir uns nun klarmachen, dass Licht wie kaum ein anderes Medium auf Geist und Psyche des Menschen einwirkt, ihm eine Schlüsselrolle in Bezug auf Wohlbefinden und Gesundheit der Mitarbeiter zukommt, kann doch jeder ordentliche Kaufmann die Folgen für die Produktivität und auch Sicherheit des eigenen Unternehmens erkennen.
Um nun noch die Kurve zu Ihrem Schwerpunkt zu schlagen: Die Beleuchtungsstärke am Arbeitsplatz beeinflusst die Geschwindigkeit und Genauigkeit der Erledigung einer ,Sehaufgabe‘ – also vor allem auch die heutige Computerarbeit. Zusammen mit der Helligkeitsverteilung bestimmt sie unsere Sehleistung.
Daher meine Empfehlung: Biologisch wirksame Beleuchtung am Arbeitsplatz macht sich bezahlt!
ds: Gibt es leicht zu merkende Kriterien für eine gute Beleuchtung?
Gdanietz: An einer Hand sogar – meine Checkliste zur Beleuchtungsqualität am Arbeitsplatz:
- angenehme Lichtfarben
- ausreichende Helligkeit
- gleichmäßige Ausleuchtung
- Flimmerfreiheit
- Farbwiedergabe
Wer es gerne länger mag: DIN EN 12464 ,Licht und Beleuchtung, Teil 1: Beleuchtung von Arbeitsstätten in Innenräumen‘ oder Arbeitsstättenrichtlinie ,ASR A3.4 Beleuchtung‘. Und dann gibt es noch die IEEE 1789 als neuen Standard zur Bewertung von flimmernden LEDs – nochmals: Auch Flimmern mit hoher Frequenz außerhalb der bewussten Wahrnehmung sollte nicht vernachlässigen werden, da nachteilige Auswirkungen auf den menschlichen Organismus nicht ausgeschlossen werden können!
Mein letzter offizieller Satz für heute: Bessere Beleuchtung schont die Gesundheit, steigert Produktivität, Qualität und Sicherheit – und reduziert direkte und indirekte Kosten…
Günther Gdanietz: Biologisch wirksame Beleuchtung am Arbeitsplatz macht sich bezahlt – Teststellungen sind möglich!
ds: Herr Gdanietz, ich danke Ihnen für das erhellende Gespräch!
Glossar:
[1] ZVEI: Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie
[2] IuK-Systeme: Informations- und Kommunikationssysteme (IT und Telefonie)
[3] Kelvin: Einheit (Abk. K) der thermodynamischen Temperatur und der Farbtemperatur
[4] Lux: Einheit der Beleuchtungsstärke (Lichtstrom, gemessen in Lumen, bezogen auf die beleuchtete Fläche in Quadratmetern)
Weitere Informationen zum Thema:
Günther Gdanietz auf YouTube, 05.08.2016
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Günther Gdanietz auf YouTube, 29.09.2016
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