Aktuelles, Branche - geschrieben von dp am Donnerstag, Oktober 27, 2022 18:42 - noch keine Kommentare
Vorratsdatenspeicherung noch lange nicht vom Tisch, warnt Patrycja Schrenk nach EuGH-Urteil
Schrenk begrüßt Urteil und Vorschlag zu Quick Freeze
[datensicherheit.de, 27.10.2022] Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte Ende September 2022 entschieden, dass die in Deutschland 2015 eingeführte Vorratsdatenspeicherung rechtswidrig ist. Patrycja Schrenk, Geschäftsführerin der PSW GROUP, kommentiert: „Es ist ein lange erwartetes Urteil, das aber noch rechtliche und politische Folgen nach sich ziehen wird.“ Das Thema Vorratsdatenspeicherung sei hierzulande „noch lange nicht vom Tisch“ warnt sie, zumal der EuGH „kein Urteil in Schwarz-Weiß“ erlassen hat. Vielmehr sei versucht worden, auch die Interessen der Strafverfolger zu berücksichtigen, begrüßt Schrenk jedoch das Urteil.
Patrycja Schrenk: Ein lange erwartetes Urteil, das aber noch rechtliche und politische Folgen nach sich ziehen wird…
Telekommunikationsdaten: Pauschale Speicherung laut Schrenk drastischer Eingriff in die Privatsphäre
So hätten die Richter für bestimmte, eng gefasste Fälle eine gezielte Speicherung zugelassen, für die sie die Schwelle allerdings hochgelegt hätten: Nur bei schweren Verbrechen, auch bei einer „Bedrohung für die nationale Sicherheit“ und immer „unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit“ solle der Zugriff auf Daten möglich sein.
„Die anlasslose, pauschale Speicherung von Telekommunikationsdaten, die das deutsche Recht erlaubte, war ein drastischer Eingriff in die Privatsphäre. So war es in Deutschland erlaubt, wenngleich seit 2017 nicht mehr praktiziert, beispielsweise Informationen darüber, wer wann mit wem wo telefonierte und wer über welche IP-Adresse im Netz surfte, vorsorglich zu speichern“, erläutert Schrenk.
Die Idee dahinter: Sollten diese Informationen zur „Bekämpfung schwerer Kriminalität“ oder zum „Schutz der nationalen Sicherheit“ einmal gebraucht werden, sollten sie einfach aus der Schublade geholt werden können. „Der Europäische Gerichtshof allerdings hat eindeutig klargestellt, dass die vorsorgliche Speicherung dieser sensiblen Informationen nur für den Fall, dass sie einmal nützlich sein könnten, rechtswidrig ist“, betont Schrenk.
Schrenk sieht nun die Politik gefordert
Jetzt sei die Politik gefordert, „wie sie mit den Vorgaben aus Luxemburg umgeht und ob sie einen weiteren Versuch startet, eine unionsrechtskonforme Regelung zu schaffen“. Jedoch sollte die Bundesregierung dabei ihre Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag nicht aus den Augen verlieren: „Schließlich wurde dort festgehalten, dass nur anlassbezogen und durch richterlichen Beschluss gespeichert werden darf“, mahnt die IT-Sicherheitsexpertin und verweist auf eine mögliche Variante, welche auch schon vor der Entscheidung aus Luxemburg diskutiert worden sei: das „Quick Freeze“-Verfahren. „Bei diesem Verfahren werden bei konkreten Anhaltspunkten für Straftaten Informationen vorsorglich für einen beschränkten Zeitraum gesichert – die Auswertung darf allerdings nur mit richterlichem Beschluss erfolgen.“
Ob und wie die Politik jetzt handelt, bleibe abzuwarten. Den jüngsten Vorschlag von Bundesinnenministerin Nancy Faeser hingegen sieht Schrenk kritisch: „Der Vorschlag der Ministerin, jedem Internet-Provider die vollständige, anlasslose und verdachtsunabhängige Speicherung der IP-Daten seiner Nutzenden vorzuschreiben, ist eine aus Datenschutzsicht haarsträubende Idee.“
Allein die Kenntnis der Identität eines Internetnutzers mache in Verbindung mit den Logfiles der Provider nachvollziehbar, „mit wem wir Kontakt hatten und für welche Internet-Inhalte wir uns interessiert haben“. Das wiederum lasse Aussagen „beispielsweise über unsere politische Meinung, unsere Religion, unsere Krankheiten oder unsere sexuelle Orientierung zu“, unterstreicht Schrenk abschließend.
Weitere Informationen zum Thema:
PSW GROUP CONSULTING – BLOG, 06.10.2022
Vorratsdatenspeicherung: Ist der Staat nun machtlos gegen Kriminelle?
datensicherheit.de, 27.10.2022
Quick Freeze: Entwurf des Bundesjustizministeriums erfährt Zustimmung und Nachbesserungswünsche / Bürgerrechtler nehmen Stellung zur Vorratsdatenspeicherung-Alternative per Quick Freeze
datensicherheit.de, 26.110.2022
Statt Vorratsdatenspeicherung: Bundesjustizminister macht Quick-Freeze-Vorschlag – eco-Vorstandsvorsitzender kommentiert / Der eco hat stets die vom EuGH kürzlich als europarechtswidrig eingestufte Vorratsdatenspeicherung kritisiert
datensicherheit.de, 20.09.2022
Vorratsdatenspeicherung: BfDI begrüßt EuGH-Urteil / EuGH sieht Gefahr der Erstellung persönlicher Netzwerke und Profile einzelner Personen
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