Aktuelles, Experten, Studien - geschrieben von dp am Mittwoch, April 28, 2021 19:46 - noch keine Kommentare
Automatisierte Nachrichten- und Chat-Kontrolle: Mehrheit gegen EU-Pläne
Meinungsumfrage von YouGov unter 10.265 Bürgern aus zehn EU-Ländern
[datensicherheit.de, 28.04.2021] Mit 72 Prozent spricht sich nach aktuellen Erkenntnissen des Europaabgeordneten Dr. Patrick Breyer ein Großteil der EU-Bürger gegen EU-Pläne zur flächendeckenden Nachrichten- und Chatkontrolle aus. Dies hat demnach eine Meinungsumfrage von YouGov unter 10.265 Bürgern aus zehn EU-Ländern ergeben.
EU plant, gesamte private digitale Kommunikation automatisiert zu durchleuchten
Vorgeblich zur Suche nach möglicher Kinderpornographie plane die EU, die gesamte private digitale Kommunikation automatisiert zu durchleuchten und im Verdachtsfall Strafanzeige erstatten zu lassen – eine sogenannte Nachrichten- und Chat-Kontrolle).
Eine aktuell verhandelte EU-Übergangsverordnung solle Anbietern von E-Mail-, Chat- und Messenger-Diensten zunächst die Erlaubnis dafür erteilen; ein für Sommer 2021 angekündigter zweiter Gesetzentwurf der EU-Kommission solle dann alle Anbieter zur Chat-Kontrolle verpflichten und womöglich auch „Hintertüren“ für verschlüsselte Kommunikation verlangen. Der Entwurf der Übergangsverordnung werde zurzeit im Trilog-Verfahren der EU zwischen Parlament, Rat und Kommission verhandelt. Der nächste Trilog finde am 29. April 2021 statt.
Repräsentative Meinungsumfrage in 10 EU-Ländern
Im Zuge einer repräsentativen Meinungsumfrage seien Bürger aus den Niederlanden, Polen, Deutschland, Italien, Frankreich, Österreich, Tschechien, Spanien, Schweden und Irland gefragt worden, „wie sie zur automatisierten Durchsuchung aller persönlichen elektronischen Mails und Nachrichten nach mutmaßlich verdächtigen Inhalten zur Suche nach kinderpornographischen Inhalten stehen“.
In Deutschland habe sich eine große Mehrheit von 69 Prozent der Befragten gegen die Chat-Kontrolle ausgesprochen, nur 19 Prozent seien dafür gewesen. „Im gesamteuropäischen Schnitt waren sogar 72 Prozent der Befragten dagegen und nur 18 Prozent unterstützen die EU-Pläne.“
Umfrageergebnis ein Aufschrei gegen EU-Plan der totalen Durchleuchtung privater Nachrichten
In Auftrag gegeben hatte diese Umfrage nach eigenen Angaben der Europaabgeordnete der Piratenpartei Dr. Patrick Breyer, welcher für die Grünen/EFA-Fraktion am Verhandlungstisch sitzt. Er kommentiert: „Das Umfrageergebnis ist ein Aufschrei gegen die geplante totale Durchleuchtung privater Nachrichten mit fehleranfälliger Strafanzeige-Automatik.“ Selbst ernannte Kinderschützer hätten kein Recht, sich zum Sprachrohr junger Menschen aufzuschwingen, ohne sie jemals gefragt zu haben. Gerade die Antworten der jüngsten Umfrageteilnehmer zeigten, dass junge Menschen eine verdachtslose Durchsuchung ihrer Privatnachrichten strikt ablehnten (73% Ablehnung in der Altersgruppe 18-24).
Dr. Breyer warnt: „Die geplante Totaldurchleuchtung droht in der Tat Jugendlichen besonders zu schaden, weil selbst aufgenommene Nacktbilder (Sexting) dadurch in die falschen Hände geraten können und 40 Prozent der Ermittlungsverfahren aufgrund der Chat-Kontrolle Minderjährige ins Visier nehmen.“ EU-Innenkommissarin Johannson, EU-Regierungen und die EU-Parlamentsmehrheit müssten jetzt Konsequenzen ziehen und ihren beispiellosen Angriff auf das digitale Briefgeheimnis aufgeben. Anstelle von „Massenüberwachung ins Blaue hinein“ müssten Kinder online und offline gezielt geschützt werden durch verstärkte Prävention, öffentliche Aufklärung, Therapie- und Unterstützungsangebote sowie Abbau der Ermittlungsrückstände, fordert Dr. Breyer.
EU-Pläne zur Chat-Kontrolle laut Prof. Dr. Ninon Colneric verfassungswidrig
Einige US-Dienste wie „GMail“ und „Outlook.com“ durchsuchten bereits die private elektronische Post und Nachrichten aller Bürger automatisch nach vermeintlich verdächtigen Inhalten. Nach Angaben der Schweizer Bundespolizei würden wegen des unzuverlässigen Verfahrens in 86 Prozent der Fälle unschuldige Bürger angezeigt.
Kürzlich habe die ehemalige Richterin des Europäischen Gerichtshofes Prof. Dr. Ninon Colneric die Pläne zur flächendeckenden Nachrichten- und Chat-Kontrolle begutachtet und festgestellt, „dass die EU-Gesetzesvorhaben nicht im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs stehen“ und die Grundrechte aller EU-Bürger auf Achtung der Privatsphäre, auf Datenschutz und auf freie Meinungsäußerung verletzten.
Weitere Informationen zum Thema:
PIRATE PARTY
Results_public
THE GREENS/EFA / EUROPEAN PIRATES, April 2021
Legal opinioncommissioned by MEP Patrick Breyer,The Greens/EFAGroup in the European Parliament
Patrick Breyer
NACHRICHTEN- UND CHATKONTROLL / Die Abschaffung des Digitlaen Briefgeheimnisses
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