Aktuelles, Experten, Studien - geschrieben von dp am Mittwoch, Januar 31, 2018 22:07 - noch keine Kommentare
Produktwarnungen: foodwatch kritisiert unzureichende Information der Verbraucher
Im Durchschnitt allein drei Lebensmittelrückrufe pro Woche
[datensicherheit.de, 31.01.2018] Nach Erkenntnissen des foodwatch e.V. ist die Zahl der öffentlichen Lebensmittelwarnungen weiter gestiegen: Im Jahr 2017 hätten die Behörden in Deutschland auf dem staatlichen Internetportal „lebensmittelwarnung.de“ 161-mal vor Lebensmitteln gewarnt – mithin noch einmal rund zehn Prozent häufiger als im Jahr 2016 mit 147 Einträgen. Vor fünf Jahren sei die Zahl der Meldungen gerade einmal halb so hoch gewesen (2012: 83 Einträge). Allerdings veröffentlichten die Behörden nicht alle Produktrückrufe auf diesem Portal. Foodwatch kritisiert, dass die meisten Produktrückrufe die Menschen nicht erreichten.
Produktwarnungen: E-Mail-Newsletterservice bis heute nicht eingerichtet
Die Verbraucher würden nach wie vor „nicht umfassend und schnell genug vor gesundheitsgefährdenden Lebensmitteln gewarnt, weil die Behörden Rückrufe oft nur verspätet online stellen“.
Ein bereits 2011 zwischen Bund und Ländern fest vereinbarter E-Mail-Newsletterservice zu Produktwarnungen sei bis heute nicht eingerichtet worden. Auch Supermärkte informierten ihre Kunden „häufig unzureichend“, so foodwatch.
foodwatch sieht den Handel in der Pflicht
„In Deutschland werden jede Woche im Schnitt etwa drei Lebensmittel zurückgerufen – doch die Verbraucherinnen und Verbraucher erfahren häufig nichts davon“, moniert Lena Blanken von foodwatch.
Neben einer Verbesserung des Portals „lebensmittelwarnung.de“ sieht die Verbraucherorganisation nach eigenen Angaben „vor allem den Handel in der Pflicht“. Supermärkte seien bisher aber nicht dazu verpflichtet, die Kunden schnell und umfassend an zentraler Stelle über alle Rückrufaktionen aus ihrem Sortiment zu informieren – dies müsse sich dringend ändern, fordert foodwatch:
„Die Supermärkte haben direkten Kontakt zu den Verbraucherinnen und Verbrauchern, informieren aber viel zu oft entweder gar nicht oder nur unzureichend über Rückrufe. Rewe, Aldi, Edeka und Co. müssen per Aushang in den Filialen, über Newsletter, Pressemitteilung und auch über die Sozialen Medien die Kundinnen und Kunden vor gesundheitsgefährdenden Produkten warnen.“
Über eine E-Mail-Protestaktion von foodwatch können nun Verbraucher diese Forderung an die Handelsketten unterstützen.
„lebensmittelwarnung.de“ in der Kritik
Bund und Länder haben laut foodwatch die Website „lebensmittelwarnung.de“ im Jahr 2011 gestartet, um Rückrufe auf einer zentralen Plattform zu verbreiten. Nach eigenen Angaben hat foodwatch alle Meldungen des Portals der vergangenen Jahre ausgewertet:
- 2017 stellten die Behörden 161 Rückrufe online – aus den unterschiedlichsten Gründen, von Glasscherben im Brot bis Salmonellen im Ei…
- Damit gab es, seit das Portal Ende 2011 online ging, nahezu konstant einen Anstieg der gemeldeten Rückrufe: 2012 waren es 83 Meldungen, 2013: 75, 2014: 107, 2015: 100, 2016: 147.
Als zentrale Informationsplattform für Verbraucher sei „lebensmittelwarnung.de“ aus Sicht von foodwatch aber „gescheitert“:
Das Webportal sei „unübersichtlich“ und liefere „Rückrufhinweise nur lückenhaft und oft verzögert“ – jede zweite Warnung erscheine deutlich verspätet, wie ein Test von foodwatch 2017 gezeigt habe. Ohnehin befänden sich auf der Website in der Regel nur solche Meldungen, die auch die betroffenen Unternehmen schon veröffentlicht haben.
Eine Einschätzung, warum es zu mehr Rückrufen kam, sei jedoch schwierig, so Blanken: „Ob es zu mehr Vorfällen kam oder ob die Unternehmen mittlerweile einfach eher einen Rückruf starten, lässt sich aus den Zahlen nicht ablesen. Fakt ist: Wenn es zu einem Rückruf kommt, wird nicht alles dafür getan, die betroffenen Menschen zu warnen.“
Betroffene Unternehmen im Interessenkonflikt
Das deutsche und europäische Lebensmittelrecht lasse bisher viele Spielräume, wann ein Rückruf erforderlich ist. Ob und in welcher Form vor unsicheren Lebensmitteln gewarnt wird, hänge in erster Linie vom Willen und der Kompetenz der Unternehmen ab. Denn sowohl die Beurteilung des gesundheitlichen Risikos als auch die öffentliche Warnung sei in erster Linie Aufgabe der Unternehmen – dann indes vor dem Interessenkonflikt zwischen einem Rückruf und möglichen negativen Folgen für das Unternehmen stehend.
Den Behörden fehle oftmals die Rechtssicherheit. Foodwatchs Report „Um Rückruf wird gebeten“ von 2017 zeige die Schwachstellen des Systems der Lebensmittelrückrufe auf: Wichtige Lebensmittelwarnungen kämen bei den Verbrauchern oft nicht an. In etlichen Fällen entschieden sich Unternehmen und Behörden zu spät, manchmal auch gar nicht für eine erforderliche Rückrufaktion und die Information der Öffentlichkeit. Zudem würden dabei die gesundheitlichen Risiken der Lebensmittel, die zum Beispiel mit Bakterien belastet sind oder Fremdkörper enthalten, immer wieder verharmlost.
Weitere Informationen zum Thema:
Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit
lebensmittelwarnung.de / Das Portal der Bundesländer und des BVL
foodwatch, 24.08.2017
E-MAIL-AKTION / Wir wollen gewarnt werden!
foodwatch, Report 2017
UM RÜCKRUF WIRD GEBETEN / Warum Lebensmittelwarnungen oft zu spät oder gar nicht kommen
Rückruf-Portal für Deutschland
Wissenswerte Informationen rund um Rückrufaktionen, Produktwarnungen, Sicherheitshinweise & mehr
datensicherheit.de, 28.04.2016
Verbraucherzentrale kritisiert unvollständige und verharmlosende Lebensmittelwarnungen
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