Aktuelles, Experten - geschrieben von dp am Montag, Januar 22, 2018 23:27 - noch keine Kommentare
Digitalcourage kritisiert Tracking von Grundschulkindern
Projekt „Schutzranzen“ verteilt GPS-Tracker und Apps zur Erfassung von Positionsdaten
[datensicherheit.de, 22.01.2018] Digitalcourage fordert in einem offenen Brief die sofortige Einstellung des Projektes „Schutzranzen“. In dessen Rahmen würden Unternehmen die Bewegung von Grundschulkindern tracken. Beteiligt sind laut Digitalcourage u.a. diverse Unternehmen, ein Automobilclub, sowie die Städte Ludwigsburg und Wolfsburg. Die App „Schutzranzen für Ihre Kinder“ soll nach Angaben von „Google Play“ bereits mehr als 5.000-mal installiert worden sein.
Überwachung als Sicherheitsmaßnahme tituliert
Im Kontext dieses Projektes werden demnach GPS-Tracker und Apps an Grundschulkinder verteilt und deren Daten ausgewertet: Die erhobenen Positionsdaten würden über eine schlecht geschützte Cloud an die Eltern sowie Navigationssysteme und Smartphone-Apps für Autofahrer gesendet.
„Es ist schamlos, Grundschulkinder zu überwachen und es als Sicherheitsmaßnahme zu verkaufen. Kinder zu tracken und die ungefähren Positionsdaten in Apps und Navigationssysteme einzuspeisen wird eher dazu führen, dass Autofahrer weniger auf die Straße achten“, warnt Kerstin Demuth von Digitalcourage. Kinder gewöhnten sich zudem daran, dass ihr Aufenthaltsort ständig Eltern und anderen bekannt ist – „sie werden sich ständig beobachtet fühlen“.
Intransparenz der Apps kritisiert
Sebastian Lisken von Digitalcourage kritisiert die Intransparenz dieser Apps: „Die Kinder-App sendet Daten an Amazon-Server in den USA, aber davon findet sich kein Wort in den Datenschutzbestimmungen von ‚Schutzranzen‘.“ Man habe die Cloud geprüft und schätze die Konfiguration des Servers als „unprofessionell gesichert“ ein. Ein Hack würde genügen, um die aktuellen Aufenthaltsorte der Kinder herauszufinden, so Lisken.
Eltern könnten sich nicht neutral über das Projekt informieren – alle Informationen stammten von den beteiligten Unternehmen, kritisiert zudem Friedemann Ebelt von Digitalcourage. „Sicherheit im Straßenverkehr ist absolut wichtig, aber Überwachung ist definitiv der falsche Weg. Vom ‚Schutzranzen‘ haben selbst unter optimalen Bedingungen nur die Kinder etwas, die ihr Überwachungsgepäck bei sich tragen und einem smarten Fahrzeug begegnen. Dagegen würden alle Kinder von Schülerlotsen, verkehrsberuhigten Bereichen, Geländern und beleuchteten Gehwegen profitieren“, erläutert Ebelt.
Kritik an Daten-Gier der Unternehmen
Die großen gesellschaftlichen Probleme bei Projekten wie „Schutzranzen“ seien die Geschäftsmodelle der Unternehmen und ihre „Gier nach Daten“, kritisiert Ebelt: Akute Probleme, wie Gefahren im Straßenverkehr, würden nicht grundsätzlich gelöst, sondern nur ausgenutzt, um Daten zu sammeln, auszuwerten und zu Geld zu machen.
Die Website von „Schutzranzen“ werbe damit, es sei die sicherste App ihrer Art und gebe in den Datenschutzbestimmungen an, es würden ohne Zustimmung keine Daten an Dritte weitergegeben… Dennoch habe Digitalcourage nachweisen können, dass Daten aus dieser Kinder-App an 1&1, Akamai, Amazon, Google sowie Microsoft und aus der Autofahrer-App sogar an Facebook übertragen würden. Darüber finden sich jedoch laut Digitalcourage „keine Hinweise in den neuen Datenschutzbestimmungen, die auf ,schutzranzen.com‘ im Januar 2018 veröffentlicht wurden, nachdem Digitalcourage das Unternehmen mit den Vorwürfen konfrontiert hat“.
Wolfsburg als Versuchsfeld
Unter dem Namen „Schutzranzen“ vertreibe Coodriver GPS-Tracker mit Anruffunktion und Smartphone-Apps für Kinder sowie Apps für Eltern und Autofahrer. So sollen Autofahrer gewarnt werden, wenn sich Kinder in der Nähe befinden, und Eltern soll es ermöglicht werden, ständig zu wissen, wo sich ihre Kinder gerade aufhalten.
Im April 2016 habe Volkswagen eine strategische Partnerschaft mit der Coodriver GmbH bekanntgegeben. Ab Februar 2018 sollen demnach in der Stadt Wolfsburg die Tracker kostenlos an Grundschulkinder verteilt werden, um die Technik zu testen.
Digitalcourage möchte nach eigenen Angaben mit dem offenen Brief die Partner des Projekts „Schutzranzen“ überzeugen, andere Lösungen für Gefahren im Straßenverkehr zu finden und Eltern kritisch über das Projekt informieren.
Weitere Informationen zum Thema:
digitalcourage
VW muss Kinder-Tracking stoppen!
schutzranzen.com
Wir machen schützenswerte Verkehrsteilnehmer für Autofahrer frühzeitig sichtbar und helfen, Unfälle zu vermeiden.
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