Aktuelles, Experten, Studien - geschrieben von dp am Samstag, April 9, 2016 22:56 - noch keine Kommentare
Deutsches Datenschutzrecht offensichtlich dringend reformbedürftig
Neuste DIVSI-Untersuchung „Daten als Handelsware“ erschienen
[datensicherheit.de, 09.04.2016] Das Deutsche Institut für Vertrauen und Sicherheit im Internet (DIVSI) hat im März 2016 eine aktuelle Untersuchung mit dem Thema „Daten als Handelsware“ veröffentlicht. Im Kern belege ihre Publikation die Ineffektivität und Unkontrollierbarkeit der geltenden gesetzlichen Regelungen und Schutzmechanismen beim Handel mit Daten.
Bundespräsident a.D. und DIVSI-Schirmherr Prof. Dr. Roman Herzog habe die Relevanz dieser Studie mit den Worten bekräftigt: „Fakt ist, dass die prosperierenden Märkte, die sich durch die Kommerzialisierung von Daten und dem Handel mit Daten entwickelt haben, unser aktuelles Daten(schutz)recht vor immense Herausforderungen stellen …“. DIVSI plädiert daher für praxistauglichere Mechanismen.
Nutzer-Selbstbestimmung fördern
Es sei dringend an der Zeit, rechtliche und praktische Konzepte zu entwickeln, „die den faktischen Datenhandel vollständig erfassen und die Nutzer-Selbstbestimmung fördern“. Die gesetzlichen Schutzmechanismen des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) seien bislang „in vielen Fällen ineffektiv“, könnten leicht umgangen werden oder ließen sich schlicht nicht kontrollieren, fasst Matthias Kammer, der Direktor des DIVSI, die Ergebnisse der aktuellen Untersuchung zusammen, die vom renommierten Lorenz-von-Stein-Institut für Verwaltungswissenschaften der Universität Kiel im Auftrag des DIVSI erstellt wurde und aus juristischer Sicht die Bedeutung von Daten als Handelsware beleuchtet.
Die Selbstbestimmung derjenigen, die ihre Daten zur Verfügung stellen, könnte gestärkt werden, indem Regeln und Gesetze zum Datenschutz an das Urheberrecht angelehnt würden.
Einräumung von Nutzungslizenzen vorgeschlagen
Zudem, so Kammer, müsse in Zukunft eindeutig rechtlich geregelt sein, wer Daten nutzen und verwerten darf. Durch Einräumung von Nutzungslizenzen ließe sich ein an den Interessen aller Beteiligter orientierter und besser kontrollierbarer Datenhandel realisieren.
Für ihn sei das Instrument der datenschutzrechtlichen Einwilligung, die nach allen Untersuchungen zumeist durch Anklicken binnen Zehntelsekunden erfolgt, gescheitert, so Kammer.
Viele Schutzmechanismen praxisuntauglich
Außerdem erweise sich auch das Datenschutzprinzip, wonach die Daten nur zu dem Zweck verwendet werden dürften, für den sie erhoben worden seien, in der Praxis als nicht erfolgreich. Diese Regelungen seien laut DIVSI-Studie in vielen Bereichen nicht geeignet, den veränderten Umgang mit personenbezogenen Daten rechtlich zu erfassen.
Insbesondere die diversen Schutzmechanismen hätten sich als wirkungslos herausgestellt – allen voran das Prinzip der Freiwilligkeit und Informiertheit bei Abgabe der datenschutzrechtlichen Einwilligung. Die Nutzer stimmten meist den Datenschutzrechtlinien zu, ohne diese überhaupt – und schon gar nicht im Detail – zu lesen. Meist gebe es zudem keinerlei Alternative zur Zustimmung und Freigabe der eigenen Daten, wenn man die entsprechenden Dienstleistungen nutzen möchte, erklärt Kammer.
Politik und Gesetzgeber hinken Entwicklung hinterher
Für die Autorin der Studie, Diplom-Juristin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lorenz-von-Stein-Institut Johanna Jöns, liegt das Hauptproblem darin, dass im Bereich der digitalen Datenwirtschaft Politik und Gesetzgeber nicht angemessen auf seit langem bekannte Entwicklungen reagieren.
In Zeiten der Digitalisierung, in der Daten längst als „Rohstoffe des 21. Jahrhunderts“ gehandelt würden, müsse zukünftig folgender Spagat gelingen: Die individuellen Interessen jedes Einzelnen, wie der Schutz der freien Entfaltung der Persönlichkeit, seien zu berücksichtigen und effektiv zu schützen. Gleichzeitig aber dürfe nicht jede ökonomisch motivierte Datenverarbeitung als unerwünscht betrachtet werden, betont Jöns. Auch der wirtschaftliche Wert von Daten müsse im BDSG Berücksichtigung finden. Bisher habe das Datenschutzrecht auf diesen doppelten Anspruch keine Antwort.
Gleichgewicht zwischen allen Beteiligten herstellen
Die Studie soll eine Vielzahl neuer Fakten und Anregungen liefern sowie verdeutlichen, wie wichtig eine öffentliche Diskussion über die zunehmende Bedeutung von Daten als Handelsware und über eine Reform des Datenschutzrechts ist.
Letztlich gehe es darum, im Bereich des Datenhandels ein Gleichgewicht zwischen allen Beteiligten – Wirtschaft, Politik und Nutzer – herzustellen. Davon seien wir derzeit meilenweit entfernt, der Status quo weise stattdessen ein „hohes Maß an Intransparenz“ auf, resümiert Kammer.
Weitere Informationen zum Thema:
DIVSI, 17.03.2016
Daten als Handelsware
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