Aktuelles, Experten - geschrieben von cp am Montag, Februar 24, 2014 18:49 - noch keine Kommentare
Magnetbakterien: Zellulärer Kompass erfolgreich transplantiert
Großer Fortschritt für die Biotechnologie
[datensicherheit.de, 24.02.2014] Magnetbakterien nutzen das Magnetfeld der Erde, um im Schlamm von Gewässern oben und unten zu unterscheiden und für sie optimale Lebensbereiche aufzusuchen. Dabei helfen ihnen einzigartige Organellen, die Magnetosomen. Magnetosomen bestehen aus winzigen Magnetitkristallen, die von einer biologischen Membran umhüllt sind. Diese sind in regelmäßigen Ketten angeordnet und bilden einen zellulären Mini-Kompass, der dafür sorgt, dass die ganze Bakterienzelle wie eine Kompassnadel im Erdmagnetfeld ausgerichtet wird.
Das Magnetosom ist eine der kompliziertesten Strukturen, die aus Bakterienzellen bekannt sind. Seine Synthese erfordert viele verschiedene Schritte, die genetisch gesteuert werden. „Wir konnten in den letzten Jahren nachweisen, dass mindestens 30 spezielle Gene beteiligt sind, die in einem bestimmten Abschnitt des Genoms geclustert sind“, sagt der LMU-Mikrobiologe Dirk Schüler, der mit seiner Arbeitsgruppe seit mehr als 15 Jahren Magnetbakterien erforscht. „Bisher war aber unklar, ob noch weitere, bisher unbekannte Genfunktionen für die Bildung des Magnetosoms erforderlich sind“.
Biotechnologisch interessant — schwer zu kultivieren
Diese Frage ist auch für die Biotechnologie hoch interessant, weil Magnetosomen magnetische Nanopartikel darstellen, die mit ähnlich perfekten Eigenschaften bisher nicht für technische oder biomedizinische Anwendungen – etwa in der biomedizinischen Bildgebung – chemisch synthetisiert werden können. Die weitere Erforschung der biologischen Produktion der Magnetosomen stand allerdings bisher vor der Schwierigkeit, dass natürlich vorkommende Magnetbakterien entweder gar nicht oder nur unter großen Schwierigkeiten im Labor gezüchtet werden können.
Daher war es schon lange ein Traum vieler Wissenschaftler, die relevanten Gene komplett in andere, bessere kultivierbare Organismen zu übertragen. „Allerdings ist das methodisch ziemlich schwierig, weil die Zahl der zu übertragenden Gene ungewöhnlich groß ist“, erklärt Isabel Kolinko, die Erstautorin der Studie. Damit das Magnetosom gebildet werden kann, müssen zudem zahlreiche zelluläre Biosynthese-Schritte in der richtigen räumlichen und zeitlichen Reihenfolge ablaufen. Das erfordert eine genaue Steuerung. Außerdem war unklar, ob noch weitere, bisher unbekannte Genfunktionen erforderlich sind. Deswegen war es ungewiss, ob dieses Ziel je erreicht werden kann. Nun gelang den Wissenschaftlern der Durchbruch: Gemeinsam mit Kollegen vom Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung in Saarbrücken schleuste Schülers Team alle bekannten Magnetosomengene aus dem Magnetbakterium Magnetospirillum gryphiswaldense in das Photosynthese betreibende Bakterium Rhodospirillum rubrum ein.
Nanomagnete aus dem Bioreaktor
„Nach der Übertragung bildete R.rubrum Ketten magnetischer Kristalle, die denjenigen von M.gryphiswaldense entsprechen und sich wie bei diesem im Erdmagnetfeld ausrichten – damit haben wir erstmals demonstriert, dass die Transplantation eines so komplexen Biosynthesewegs in einen anderen Organismus möglich ist“, betont Schüler. Zudem beweist dieser Erfolg, dass die bisher bekannten 30 Gene für die Bildung von Magnetosomen ausreichen.
R.rubrum wählten die Wissenschaftler als Wirtsorganismus, weil sich dieses Bakterium im Vergleich zu den empfindlichen Magnetbakterien besser züchten lässt. Der neu entstandene Stamm ist mit seinen magnetischen Eigenschaften bereits jetzt biotechnologisch hoch interessant, da er voraussichtlich die Produktion von Magnetnanopartikeln erleichtert: Er ist schnellwüchsiger als M.gryphiswaldense und liefert größere Ausbeuten. Damit wird eine billigere Herstellung der Nanopartikel möglich.
„Noch bedeutsamer ist, dass es damit für die Zukunft sogar möglich erscheint, durch die gezielte Manipulation mit Methoden der synthetischen Biologie die Eigenschaften der biogenen Nano-Magnete noch zu verbessern, beziehungsweise Nanomagnete mit ganz neuen Eigenschaften herzustellen, etwa in Bezug auf deren Form, Größe, Zahl und magnetische Eigenschaften“, erklärt Schüler. Falls es gelingt, die erforderlichen Gene weiter einzugrenzen und anzupassen, könnten diese möglicherweise auch in Zellen höherer Organismen eingeschleust werden – und diese so magnetisieren. „Dies hätte vor allem für die wissenschaftliche Grundlagenforschung enormes Anwendungspotential, z.B. bei der experimentellen Manipulation von zellulären Prozessen und als zellulärer ‚Reporter‘ für die Untersuchung mit bildgebenden Verfahren“, sagt Schüler.
Weitere Informationen zum Thema:
nature.com, 23.02.2014
Biosynthesis of magnetic nanostructures in a foreign organism by transfer of bacterial magnetosome gene clusters
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