Aktuelles, Experten, Gastbeiträge, Veranstaltungen - geschrieben von ks am Samstag, März 24, 2012 13:59 - noch keine Kommentare
Codeknacker-Kult: Charlotte International Cryptologic Symposium 2012
Drei Tage lang drehte sich alles um historische Verschlüsselungsmaschinen – wie sich zeigte, nimmt die Begeisterung für „Enigma und Co.“ mittlerweile bizarre Formen an
Von unserem Gastautor Klaus Schmeh
[datensicherheit.de, 24.03.2012] Jim Oram kann sich über einen Mangel an Arbeit nicht beklagen. Der Ingenieur aus North Carolina arbeitet als freiberuflicher Enigma-Restaurator. Weltweit dürften etwa 1.000 Exemplare der legendären Verschlüsselungsmaschine aus dem Zweiten Weltkrieg überlebt haben – zur Freude von Sammlern und Museen, die für ein Exemplar 70.000 Euro und mehr bezahlen. Doch so manche Maschine hat die Nachkriegsjahrzehnte im feuchten Keller oder gar im Inneren eines gesunkenen U-Boots verbracht – in so einem Fall muss Jim Oram oder einer seiner Kollegen ran.
Ein Vortrag von Oram über das Restaurieren von Enigmas zählte zu den Höhepunkten des „Charlotte International Cryptologic Symposium“, das vom 22. bis 24. März 2012 in Charlotte im US-Bundesstaat North Carolina stattfand. Oram war gleichzeitig Organisator der Veranstaltung. Ein Lokaltermin in seiner nahe gelegenen Enigma-Werkstatt gehörte zum Konferenzprogramm. Wer schon immer einmal wissen wollte, wie man ein Enigma-Ersatzteil mit Hilfe der Software „AutoCAD“ entwirft und woher man Nachbauten 70 Jahre alter Glühbirnen bezieht, kam voll auf seine Kosten.
Ein bisschen verrückt muss man wohl sein, wenn man sich mit antiken Verschlüsselungsmaschinen beschäftigt. Dies bestätigte auch der britische Sammler John Alexander. Wie er in seinem Vortrag berichtete, unternimmt er regelmäßig ausgedehnte Reisen durch halb Europa, um Enigmas, Kryhas, Hagelins und andere Chiffriergeräte aufzuspüren. Seine Ehefrau ist vom Hobby ihres Mannes zwar wenig begeistert, doch wenn John Alexander ein interessantes Kryptogerät in die Hände bekommt, dann interessiert ihn selbst eine drohende Ehescheidung nur noch am Rande.
Ein anderer Sammler, der US-Professor Nick Gessler, hatte einen Teil seiner Sammlung gleich zum Symposium mitgebracht. Von einer Hebern (ca. 1920) über eine M-94 (ca. 1924) bis zu einer HC-9 (ca. 1955) fand sich darin so manches Verschlüsselungsgerät, das das Liebhaberherz höher schlagen ließ. Einige der Teilnehmer fotografierten sich die Finger wund, um die Schätze wenigstens ablichten zu können – wenn man sie schon nicht besitzen kann.
Während die einen sammeln, beschäftigen sich andere mit dem Dechiffrieren alter Nachrichten. Aus dem Zweiten Weltkrieg sind beispielsweise mehrere tausend Enigma-Funksprüche erhalten geblieben, die Historiker nur allzu gerne lesen würden. Spezialisten wie der Norweger Frode Weierud oder der Brite Geoff Sullivan haben schon mehrere Hundert davon mit Computer-Unterstützung geknackt. Doch ihre Arbeit wirkt wie ein Fass ohne Boden, denn die ständig wachsende Zahl an Enigma-Forschern fördert in Archiven und Museen immer wieder neue Funksprüche zu Tage.
Der Kult um die Enigma ist derweil so groß geworden, dass selbst Nachbauten reißenden Absatz finden. Zu den Meistern des Enigma-Nachbaus zählt neben Jim Oram auch der Deutsche Klaus Kopacz. Selbst Experten müssen genau hinschauen, um die Kopien der beiden von einer Originalmaschine unterscheiden zu können. Als Schnäppchen kann man die nachgebauten Geräte allerdings nicht bezeichnen. Die Preise liegen im fünfstelligen Bereich.
Jim Oram (links) hat als Enigma-Restaurator viel zu tun. Rechts einer von mehreren tausend Einigma-Orignalfunksprüchen, mit denen sich Dechiffrierspezialisten derzeit beschäftigen.
Klaus Schmeh ist Autor des neu erschienenen Buchs „Nicht zu knacken – Von ungelösten Enigma-Codes zu den Briefen des Zodiac-Killers: Die ungelösten Rätsel der Kryptologie“.
Weitere Informationen zum Thema:
Charlotte International Cryptologic Symposium
Home
ENIGMA REPLICA
AN ENGINEERING PROJECT (Website von Jim Oram)
datensicherheit.de, 09.10.2011
Der Übergang zwischen Kryptologie und Magie ist fließend / Vom 6. bis 7. Oktober fand im US Bundesstaat Maryland das NSA Crypto History Symposium statt
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Klaus Schmeh
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